Caspar, du bist mittlerweile langjähriges Mitglied des Aufsichtsrates der CHANCEN eG. Wie hat alles angefangen? Was ist deine persönliche Geschichte mit dem UGV?
Meine persönliche Geschichte hat verschiedene Verbindungslinien mit dem UGV und den damit verbundenen Organisationen. Bereits bevor ich mich an der Universität Witten/ Herdecke für meine Bachelor-Studiengänge beworben habe, hatte ich einen Zeitungsartikel gelesen, der die StudierendenGesellschaft (SG), den UGV und die in Witten damit verknüpften Möglichkeiten der Beteiligung an den verschiedenen Formen des universitären Lebens beschrieb. Damit war mir klar, dass ich sowohl an der Universität wie auch an der Organisation dieser Bildungsinstitution teilhaben wollte. Das ging dann schneller als ich gedacht hatte: Zum Ende meines ersten Semesters wurde ich in den Vorstand der SG gewählt. Damit begann eine sehr aufregende und lehrreiche Zeit: für die SG und die Uni Witten/Herdecke – aber auch für mich persönlich. Nach knapp zwei Jahren Vorstandstätigkeit, folgenden drei Monaten bei den Kaospiloten in Dänemark und einigen anderen Projekten wurde ich 2011 in den Aufsichtsrat der SG gewählt. Als Vorsitzender des Gremiums habe ich Florian und Olaf und auch Niklas Becker (ebenfalls Aufsichtsratsmitglied der CHANCEN eG) kennengelernt. Aus dieser Zeit stammt auch die Verbindung zur CHANCEN Genossenschaft. Bei deren Gründung war ich von Anfang an als Vertreter der SG – als eine der „Schwesterorganisationen“ – aber auch als persönlich interessierte Person involviert. Bei der Gründung vor fünf Jahren wurde ich erstmals in den Aufsichtsrat gewählt; vor zwei Jahren habe ich nach dem Ausscheiden von Joachim Rang den Vorsitz des Gremiums übernommen. So bin ich in zwei UGV-anbietenden Organisationen intensiv involviert.
Welches Ereignis ist dir in deiner Zeit als Aufsichtsrat der CHANCEN eG besonders im Gedächtnis geblieben?
Es gibt verschiedene Ereignisse, an die ich mich gerne erinnere, wie beispielsweise die Gründungsveranstaltung in Witten, die Generalversammlung 2018 in den Räumen der Code University oder auch einzelne Momente aus Sitzungen und Treffen, die Entwicklungsschritte der Genossenschaft markieren. Im Besonderen freut mich das grundlegende und immer stärker werdende Gefühl, dass mit dem durch die CHANCEN eG umgesetzten Modell des Umgekehrten Generationenvertrags eine zutiefst faire Möglichkeit der Studienfinanzierung besteht und die Genossenschaft damit einen Beitrag für chancengerechteren Zugang zu Bildung ermöglicht.
Wie gestaltest du persönlich deine Rolle als Aufsichtsrat? Hast du bestimmte Herzensthemen?
Die Frage nach Herzensthemen möchte ich mit einem klaren „Jein“ beantworten. Mir ist wichtig, dass die Organisation in ihren unterschiedlichen Facetten funktioniert und mit den unterschiedlichen Erwartungen produktiv umgehen kann. Was das im Hinblick auf Aufgaben oder Tätigkeiten gerade aus dem Aufsichtsrat bedeutet, ist nur temporär eindeutig zu beschreiben: Beispielsweise hatten unsere Diskussionen über Kapitaleinwerbestrategien vor drei oder vier Jahren völlig andere Inhalte, und die Diskussion auch andere Strukturen, als das heute der Fall ist. Es gibt also über die Zeit unterschiedliche, sich mit der Organisation verändernde Themen oder Perspektiven auf Fragestellungen, die aus meiner Sicht besondere Beachtung finden sollen. Hinzu kommt, dass die gemeinsame Aufgabe des Aufsichtsrates darin besteht, dass durch die Genossenschaftsversammlung ausgesprochene Vertrauen durch Kontrolle und Beratung des Vorstands umzusetzen und in dieser Weise den Vorstand bei der Leitung der Genossenschaft zu unterstützen. Diese Art der Begleitung findet in sehr verschiedener Weise und, nach meiner Erfahrung, auch in unterschiedlichen Formaten statt.
Dennoch gibt es Themen, die mir besonders am Herzen liegen. Für mich ist es von Bedeutung, dass die CHANCEN eG als Arbeitgeberin hervorragend funktioniert, sich dabei weiterentwickelt und dies durch das Auftreten der Organisation zeigt. Mit dem Blick in die Umwelt der CHANCEN eG freue ich mich, wenn mit dem UGV unterschiedliche Disziplinen und Studiengänge wie auch andere Formate tertiärer Bildung an Hochschulen gefördert werden, die nicht unbedingt einer eindeutigen Vorstellung von Bildung anhängen. Ich glaube, dass Vielfalt in einem Bildungssystem mehr Gewinn erzeugt als das Erreichen vorgedachter und eindeutiger Leistungsziele. Mir ist es dabei auch wichtig, dass wir mit dem UGV immer mehr danach streben Personen zu erreichen, die sich (zunächst) nicht von Bildungsangeboten angesprochen fühlen und die sich mit dem UGV auf ihren persönlichen Weg machen können. In diesem Sinne bleibt der UGV für mich ein Mittel zum Zweck, das an manchen Stellen auch anders erreicht werden kann – was aus meiner Sicht jedoch keine Schwierigkeiten eröffnet.
Wenn ich nun den Blick auf die aktuelle Situation der Genossenschaft richte, denke ich, dass nach fünf Jahren schon eine gewisse Wegstrecke hinter der Organisation liegt. Gleichzeitig liegt viel vor uns, dass wir gemeinsam erreichen wollen. Diese Art des Wachstums gilt es so zu begleiten, dass das sich darin ausdrückende Spannungsfeld zwischen innerorganisationaler Fokussierung und strategischem Auf- und Ausbau sich angemessen verstärkt und weder einseitig Chancen vernachlässigt oder zu sehr driftend Bögen überspannt. Diese Form des Balancierens halte ich für die nächsten Jahre für eine der wesentlichen Aufgaben auf dem Weg zu einer noch professionelleren und gleichzeitig klug priorisierenden Organisation.
Was sind deine Aufgaben als Vorsitzender des Aufsichtsrates?
Die Aufgaben des bzw. der Vorsitzenden sehe ich im Besonderen in der Organisation der Kommunikation innerhalb des Aufsichtsrates wie auch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Dazu gehört, einen regelmäßigen Informationsfluss zu garantieren, sowie Sitzungen, Treffen und Telefongespräche zu organisieren, die die Belange des Aufsichtsrates im Sinne der Satzung betreffen. Gegenüber dem Vorstand bin ich erster Ansprechpartner des Aufsichtsrates. Hinzu kommen einzelne Projekte des Vorstands, die ich mit Rat und Tat unterstütze. Mir ist dabei im Besonderen wichtig, dass wir als Aufsichtsrat so miteinander arbeiten können, dass wir einerseits in vollem Umfang unseren satzungsgemäßen Aufgaben gerecht werden, andererseits aber durch „loose coupling“ uns gegenseitig in einer produktiven Weise so irritieren können, dass wir weiterhin mit neuen Beobachtungen die Organisation begleiten. Diese Form des Umgangs ist auch deshalb von Bedeutung, da wir nur in dieser Weise neue Unterscheidungen als Beobachtungen einbringen können. Die Folge ist zweierlei: Es soll gelingen, dass wir uns in unserer Arbeit als Aufsichtsrat verändern können, ohne unabdingbar auf bereits Vorhandenes zu verzichten; es soll aber auch, zweitens, ein „Doing“ ermöglichen, dass sich als Bestandteil der Organisationskultur versteht und diese widerspiegelt. Diesen zweiten Aspekt zuspitzend sehe ich hier sogar eine politische Form der Zusammenarbeit, die Unterschiede stärkt, um gemeinsam zu arbeiten.
Warum kandidierst du wieder für eine Position im Aufsichtsrat? Was möchtest du in deiner “nächsten Amtszeit” gerne umsetzen?
Ich möchte meine Fähigkeiten und Kompetenzen in die Organisation einbringen und damit dazu beitragen, dass die CHANCEN eG in der vollen Breite ihrer Möglichkeiten wachsen kann. Dabei sehe ich mich auch weiterhin in der Rolle, die Kommunikation zwischen den Gremien und den in ihnen beteiligten Personen so zu gestalten, dass sie in ihrem Spannungsfeld zu produktiven Einsichten und immer wieder hilfreichen Beobachtungen kommen können. Konkreter bedeutet das, dass wir als Aufsichtsrat einer noch immer im Aufbau sich befindenden Organisation immer wieder die unterschiedlichen Richtungen mit tarieren müssen, um sowohl die Interessen zu verfolgen, aber auch die Kräftehaushalte der Personen und der Organisation in angemessenen Verhältnissen zu halten. Der von mir gewünschte Wachstumskurs benötigt natürlich unternehmerische Ambitionen, die aber gleichzeitig durch stabile Prozesse unterstützt und von reflexiven Phasen flankiert werden sollten. Mit dieser Perspektive fällt es mir schwer, einzelne Projekte herauszugreifen, die ich in den nächsten drei Jahren umsetzen möchte. Mir geht es darum, dass wir als Gesamtaufsichtsrat unsere vielfältigen Aufgabenbereiche gut gemeinsam bewältigen können. Dazu scheint es mir innerhalb unseres Gremiums besonders wertvoll zu sein, die unterschiedlichen professionellen wie menschlichen Qualifikationen miteinander ins Spiel zu bringen. Auf diese Arbeit freue ich mich sehr.
Wo siehst du die CHANCEN eG in zehn Jahren?
Ich wünsche mir, dass die CHANCEN eG in den nächsten zehn Jahren zum größten, nachhaltigsten und fairsten Anbieter für tertiäre Bildungsangebote wird und darüber hinaus das eigene Produktportfolio als Organisation stabilisiert und weiter ausbaut, mit an den unterschiedlichen Stellen des Student- und Alumni-Lifecycles ansetzenden Angeboten. Und dies als eine Organisation, für die es Freude macht tätig zu sein!