Altherrschaftlich, zwischen hohen Bäumen und grünen Freiflächen erstrecken sich die Ruppiner Kliniken am Rande Neuruppins. Inmitten der teils denkmalgeschützen, rotgelben Backsteingebäude liegt die Medizinische Hochschule Brandenburg. Seit der Gründung im Jahr 2014 werden hier Mediziner und Psychologen ausgebildet. Wir sprachen mit Dekan Prof. Neugebauer über die noch junge Geschichte der Hochschule und ihren besonderen didaktischen Ansatz.
Professor Neugebauer, welche Motive führten zur Gründung der MHB?
Nach der Wende übernahm die Berliner Charité die Ausbildung von Medizinern sowohl für Berlin, als auch für Brandenburg. Ein Großteil der angehenden Ärzte und Ärztinnen blieb jedoch in Berlin oder zog es vor, in anderen Großstädten außerhalb Brandenburgs zu arbeiten. Aufgrund des verschärften Mangels an qualifizierten Medizinern und fehlender Bereitschaft der bestehenden Universitäten des Landes, die verhältnismäßig kostenintensive Medizinerausbildung in Brandenburg zu fördern, ergriffen die kommunalen Ruppiner Kliniken, das Städtische Klinikum Brandenburg sowie die kirchliche Immanuel Diakonie gemeinsam mit den Stadtwerken und der Sparkasse Neuruppin die Initiative und gründeten 2014 die MHB. Erklärtes Ziel ist seitdem die praxisnahe Ausbildung urteilsfähiger Arztpersönlichkeiten und Psychologen, die im Anschluss an ihr Studium den medizinischen Herausforderungen in Brandenburg begegnen können. Darüber hinaus schloss die Gründung der MHB eine Lücke in der deutschen Hochschullandschaft: Es ist nun in allen Flächenbundesländern möglich, Medizin zu studieren.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Trägerkliniken und weiteren Kooperationspartnern aus?
Die Zusammenarbeit ist sehr eng, was mich insbesondere für unsere Studierenden freut! Neben den Hochschulkliniken kooperieren wir mittlerweile mit über 20 Krankenhäusern, 6 Lehrkrankenhäusern und ca. 100 Lehrpraxen in ganz Brandenburg. Angestoßen durch die Gründung der MHB, ist mittlerweile eine beinahe euphorische Welle in der brandenburgischen Gesundheitsversorgung zu spüren. Die Kliniken und Praxen werden aktiv in die Lehre mit eingebunden und schaffen so die Voraussetzungen für eine dezentrale Koordination der klinischen Studienphase. Den Studierenden ermöglicht diese Konstellation, das Land Brandenburg und seine spezifischen Herausforderungen unmittelbar vor Ort zu erfahren.
Wie stellen sie sicher, dass Absolventen der MHB im Anschluss an ihr Studium auch in Brandenburg tätig werden?
Die Kliniken bieten den Studierenden Darlehen, die diese nach dem Studium begleichen, indem sie ihre Facharztausbildung in der jeweiligen Klinik absolvieren. Die Darlehen decken mit 80.000 Euro bereits den Großteil der insgesamt 115.000 Euro Studiengebühren ab. Der Eigenanteil von 35.000 Euro kann über den Umgekehrten Generationenvertrag der CHANCEN eG nachgelagert und einkommensabhängig finanziert werden. So stellen wir als private Hochschule sicher, Bewerber nach fachlichen und persönlichen Kriterien auswählen zu können und nicht nach ihrem finanziellen Hintergrund differenzieren zu müssen. Andererseits wird dadurch gewährleistet, dass viele der Absolventen in Brandenburg ihren Facharzt machen und den Kliniken erhalten bleiben.
Welche didaktischen Besonderheiten zeichnen den Modellstudiengang der MHB aus?
Unser Brandenburger Modellstudiengang baut maßgeblich auf dem Reformstudiengang der Charité Berlin und dem Modellstudiengang der Universität Witten/Herdecke auf und orientiert sich stark an den Bedürfnissen der ärztlichen Praxis. Wir legen hohen Wert darauf, die Studierenden möglichst früh in den klinischen Alltag einzubinden, um ihnen die Chance zu geben im direkten Kontakt mit und am Patienten zu lernen. Das hat den Vorteil, dass die naturwissenschaftlichen Grundlagen nicht isoliert, sondern immer krankheits- und fallbezogen vermittelt werden. Die MHB steht für ein modernes, praxisorientiertes und zukunftsgerechtes Medizinstudium.
Die Ausbildung junger Mediziner zur Vorbeugung des Ärztemangels wird an der MHB flankiert durch einen Forschungsschwerpunkt auf Versorgungsforschung, der den Gründungsgedanken – nun auch im Bereich der Forschung – konsequent fortführt. Womit beschäftigt sich die Versorgungsforschung und welchen Stellenwert nimmt die Forschung der MHB ein?
Die Versorgungsforschung eröffnet neue Wege der medizinischen Versorgung und fragt nach notwendigen Strukturen, die sicherstellen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, neue Therapieverfahren sowie Medikamente bei den Patienten ankommen, die davon einen Nutzen haben. Sie untersucht quasi die letzte Meile der Gesundheitsversorgung, mit dem Ziel, die Lebensqualität der Patienten zu erhöhen. Insbesondere Flächenländer mit geringer Einwohnerzahl wie Brandenburg benötigen neue Strukturen, damit eine reibungslose Versorgung auch in Zukunft gewährleistet werden kann. Hier setzt die Entwicklung neuer Konzepte, wie z.B. der sektorenübergreifenden telemedizinischen Versorgung an. Da Innovationen in diesen Bereichen häufig datenschutzsensible und andere rechtliche Fragen berühren, wird es hier zukünftig verstärkt auch auf intelligente Forschungskooperationen sowie auf den Einbezug politischer Rahmenbedingungen ankommen. Letztendlich planen wir, an der MHB zukunftsfähige Versorgungsmodelle zu entwickeln, die sich auch in andere strukturschwache Regionen weltweit transferieren lassen.
Wo steht die MHB denn derzeit und was steht in naher Zukunft an?
Die Gliederung unseres Modellstudiengangs sieht vor, dass die Studierenden ihre letzten drei Semester in den Kooperationskliniken verbringen. Die erste Kohorte wird diesen Studienabschnitt in einem Jahr beginnen. Wir möchten die Studierenden in dieser Zeit unbedingt weiter intensiv als Kohorte betreuen und erproben daher im Rahmen der Kooperationen auch neue Lehr- und Lernformate wie Videokonferenzen. Da eine gelungene Zusammenarbeit gewisse Bedingungen auf Seiten der Kooperationskliniken voraussetzt, müssen sich Standorte qualifizieren, die sich für diesen zweiten Studienabschnitt bewerben. Im Allgemeinen sind wir aber hochzufrieden mit dem Leistungsniveau der ostdeutschen Krankenhäuser.