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Werbungskosten und Sonderausgaben – was können Studierende von der Steuer absetzen?

In Deutschland können Kosten, die entstehen, um den Erwerb oder Erhalt von Einkommen zu sichern, als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden. Darunter fallen auch die Kosten, die während des Studiums oder der Ausbildung für Arbeitsmaterialien, Lehrbücher, Laptop oder Studiengebühren anfallen. Diese Regelung gilt allerdings nur für das Zweit-, bzw. Masterstudium sowie für ein Studium oder eine Berufsausbildung, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.

Das Erst- bzw. Bachelorstudium, ebenso wie eine Berufsausbildung ohne Anstellungsverhältnis, bewertet der Gesetzgeber fragwürdigerweise als Privatangelegenheit und nicht als Berufsqualifikation. Diese Bewertung als Privatangelegenheit hat zur Folge, dass der finanzielle Aufwand nur als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden kann. Der Nachteil besteht darin, dass für Sonderausgaben anders als für Werbungskosten ein Maximalbetrag gilt, der bei 6.000€ pro Jahr liegt – ein Betrag, der mit Studiengebühren (bei hohen Einkommen auch mit der Rückzahlung eines Umgekehrten Generationenvertrags) schnell überschritten ist. 

Zudem können die angefallenen Sonderausgaben nur von der Steuer abgesetzt werden, wenn im selben Jahr auch Steuern gezahlt wurden. Studierende müssten folglich zeitgleich studieren und ein steuerpflichtiges Einkommen erzielen, um die Studienkosten überhaupt als Sonderausgaben steuerlich absetzen zu können. Das ist in der Regel nur im Rahmen eines Teilzeit-/Fernstudiums oder während der Rückzahlungsphase des UGV möglich. Während somit das Erststudium und Ausbildungen ohne Anstellungsverhältnis als Angelegenheit der privaten Lebensführung nur in sehr begrenztem Maße steuerlich geltend gemacht werden können, gelten das Zweitstudium sowie ein Studium/ eine Ausbildung mit Anstellungsverhältnis als berufsqualifizierend und genießen steuerliche Vorteile.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht zu der steuerlichen Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitstudium?

Nach mehreren Klagen ehemaliger Studierender und Pilot*innen hatte der Bundesrechnungshof die steuerliche Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitstudium 2014 als Verstoß gegen den allgemeine Gleichheitsgrundsatz gewertet und zur Bewertung an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (BVerfG) weitergeleitet. Das BVerfG hat diese Steuerpraxis am 10.1.2020 mit seinem Urteil als verfassungskonform bestätigt. Die Begründung lautet, das Erststudium sei privat (mit)veranlasst, da es nicht nur Berufswissen vermittle, sondern in erster Linie der persönlichen Entfaltung diene. Das Erststudium diene dazu, „Begabungen und Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläufig für einen künftigen Beruf notwendig sind“. 

Was bedeutet das für unsere Studierenden?

Da mit diesem Urteilsspruch geltendes Recht bestätigt wurde, ändert sich für die von der CHANCEN eG geförderten Studierenden erst einmal nichts. Weiterhin bietet der UGV den geförderten Studierenden beachtliche finanzielle Vorteile: Wer sich im Erststudium oder einer Ausbildung ohne Anstellungsverhältnis befindet, kann die UGV-Rückzahlung später als Sonderausgaben (begrenzt auf 6.000€ pro Jahr) steuerlich geltend machen. Wer sich im Zweitstudium befindet (also bereits ein abgeschlossenes Studium oder eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen kann), kann die Rückzahlung als Werbungskosten und somit unbegrenzt steuerlich absetzen. Weitere Informationen dazu gibt es in unserem Merkblatt zur steuerlichen Absetzbarkeit des UGV.

Was hält die CHANCEN eG von dieser Regelung?

Durch die Finanzierung des Studiums mit UGV über die CHANCEN eG zahlen die geförderten Studierenden ihre Studienkosten erst nach Abschluss des Studiums, wenn sie ein steuerpflichtiges Einkommen erzielen. Durch die nachträgliche Zahlung profitieren insbesondere Erststudierende von der Möglichkeit einer steuerlichen Absetzung, die andere Erststudierende oft nicht haben.

Dennoch sieht die CHANCEN eG die steuerrechtliche Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitstudium und verschiedenen Formen von Ausbildungen kritisch. Die Differenzierung in private Angelegenheit einerseits und berufsqualifizierende Ausbildung andererseits leuchtet nicht ein. Studium und Ausbildung sind, ohne Frage, eine sehr prägende Zeit; und der CHANCEN eG ist es ein großes Anliegen, durch die Förderung die freie persönliche Entfaltung zu ermöglichen. Doch genau so, wie auch Master- oder Zweitstudium und Berufsausbildung einen großen Teil zur persönlichen Entfaltung beitragen, vermitteln auch Erststudium und Ausbildungen ohne Anstellungsverhältnis bereits Berufsqualifikation. Für viele Berufe ist der Bachelor-Abschluss ein ausreichendes Qualifikationsmerkmal und viele Studierende starten bereits nach Abschluss des Erststudiums oder ihrer Ausbildung ins Berufsleben. Zudem gibt es Studiengänge wie Medizin, Jura und Lehramt, die nicht in Erst- und Zweitstudium unterteilt sind, tatsächlich aber auf sehr konkrete Berufe vorbereiten.

Wir verstehen die wechselseitige Kombination aus Erwerb von beruflicher Qualifikation und persönlicher Selbstentfaltung als das, was gerade das Besondere des gesamten Studiums und jeder Ausbildung ausmacht, und halten daher eine gesetzliche Überarbeitung der steuerlichen Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitstudium und der verschiedenen Formen von Ausbildungen für erforderlich.

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