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Bildungsgerechtigkeit für alle. Ein Ziel, so nah und doch so fern, aber vor allem: ungemein wichtig, um jeder Person die gleichen Chancen zu bieten – unabhängig von sozialem Status, Einkommen, Herkunft, etc. Im Rahmen des Jubiläums veranstaltete die CHANCEN eG am 17.09.2021 ein Podiumsdiskussion zum Thema Bildungsgerechtigkeit an der CODE University of Applied Sciences, an der Vertreter*innen aus Politik, Hochschule und Wissenschaft teilnahmen.

Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion v.l.n.r.: Joschka Knuth, Dr. Konrad Schily, Moderatorin Birgit Kolkmann, Prof. Marcel Fratzscher, Cansel Kiziltepe

Von außen wirkt das Gebäude der CODE University of Applied Sciences fast unscheinbar. Ein rotes Backsteingebäude mit vielen kleinen Fenstern ist nicht unbedingt das, was man sich unter einer Universität vorstellt; aber man sollte auch ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen!

Denn das Innere des alten Industriegebäudes in Alt-Treptow ist viel weitläufiger, als es von außen scheint. Auf 23.000m² befindet sich alles, was man sich als Studierende*r wünschen kann; unter anderem der “Event Space Wildenbruch”, der für unsere Podiumsdiskussion wie gemacht war: Ausgestattet mit einer Bühne am entfernten Ende des Saals mit gemütlichen Sesseln für unsere Diskussionsteilnehmer*innen, einem Technikbereich und natürlich genug Platz für unsere Gäste, auch mit COVID-Abstand. 

Die beste Investition ist die in die Köpfe der Menschen.

Prof. Marcel Fratzscher

Hanno Grimm, CHANCEN eG Mitglied und Studierendenvertreter der CODE, und Florian Kollewijn, Gründungsvorstand der CHANCEN eG, begrüßten alle Anwesenden und eröffneten somit den spannendsten Teil des Nachmittages. Im Anschluss trat Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), auf die Bühne und begann das Programm mit einer Impulsrede über Chancengleichheit in der Bildung, die später als Ausgangspunkt für die Diskussion genutzt wurde. Es sei elementar, dass jede Person die gleichen Möglichkeiten und Chancen besitzen und selbst über das eigene Leben entscheiden können sollte. Denn am Ende seien es die bildungsschwachen Familien, die die Probleme der Pandemie schneller zu spüren bekämen – aufgrund fehlender Betreuung (sowohl technische Ausrüstung als auch familiäre Unterstützung), die die entstandenen Bildungslücken nicht füllen können, und die tendenziell zahlenmäßig zu weniger Abschlüssen und Qualifikationen in den kommenden Jahrzehnten führen würde. Und dabei ist Chancengerechtigkeit ein, wenn nicht sogar der, Schlüssel zu einem wirtschaftlich starken Staat: Die beste Investition ist die in die Köpfe der Menschen. 

Im Anschluss stellte Moderatorin Birgit Kolkmann den Rest der Panelist*innen vor: Virtuell dazugeschaltet waren Bundestagsabgeordnete Dr. Dietlind Tiemann (CDU) und Bundestagsabgeordneter Dr. Jens Brandenburg (FDP). Vor Ort wurden Joschka Knuth (Landtagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein für Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Konrad Schily (Mitgründer und langjähriger Präsident der Universität Witten/Herdecke, an der der Umgekehrte Generationenvertrag ins Leben gerufen wurde) und Bundestagsmitglied Cansel Kiziltepe (SPD) auf die Bühne gebeten. 

In seinem Eröffnungsstatement sprach Schily von dem fehlenden Bewusstsein des Ausmaßes der sozialen Spaltung – allein 38 Prozent der Berliner Kinder leben in Hartz IV-Haushalten – und wie dies geändert werden könnte. Kiziltepe, selbst ein Arbeiterkind aus Berlin-Kreuzberg, kritisierte, dass sich wenig ändert. Bildung sollte kostenlos sein (inklusive Essen in der Schule oder Schülertickets), um auch Kindern aus sozial schwachen Umfeldern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Bundestagsabgeordneter Dr. Brandenburg sah die Bedeutung in für alle zugängliche Bildung und forderte mehr Investitionen in die Bildung, um mehr Chancen zu ermöglichen. Gerade im Kindesalter gäbe es großes Bildungspotential, was aber nicht immer ausgeschöpft würde. Für mehr Investitionen sprach sich auch Knuth aus und kritisierte die hohe Anzahl von Akademiker*innen in der Politik, denen die die Erfahrungen von Arbeiterkindern naturgemäß fremd seien. Frau Tiemann griff in ihrem Statement Fratzschers Gedanke auf: Bildungsförderung durch private Initiativen sollte es eigentlich nicht geben müssen – das sei Aufgabe des Staates. Beide waren sich einig, dass Bildung der einzige Rohstoff von Deutschland sei.

Bildung ist der einzige Rohstoff von Deutschland.

Dr. Dietlind Tiemann

Im Verlauf der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die jetzige Bildungspolitik in den Augen aller Anwesenden unzureichend ist und schnellstmöglich verändert werden müsste – Geld dafür gäbe es laut Fratzscher auch genug. Das BAföG in seiner bisherigen Form sei nicht mehr zielführend. Viele Studierende seien nicht in der Lage, BAföG zu beziehen, da das elterliche Einkommen über den festgelegten Grenzwerten liege. Schily warf die Frage auf, ob  der Verdienst der Eltern da wirklich relevant sei. Auch Brandenburg und Knuth (der selbst sein Studium mit einem UGV finanzierte) sprachen sich für ein elternunabhängiges BAföG aus: Es sei ja für alle Beteiligten  – Studierende, Eltern und die öffentliche Verwaltung  – stressfreier und zugänglicher, wenn auf eine Einkommensprüfung verzichtet werden könne. Eine für alle zugängliche Bildung habe nur positive Folgen; sowohl für die Studierenden als auch für den Staat und die Wirtschaft. Und auch die Frage, ob gute Abiturnoten wirklich das wichtigste Zulassungskriterium für tertiäre Bildungseinrichtungen seien, wurde von Thiemann und Schily in Frage gestellt. 

Wie kann das Problem der Bildungsungleichheit schon so lange bestehen und noch immer nicht gelöst sein?

Die entscheidende Frage kam am Ende der Diskussion aus dem Publikum: Wie kann das Problem der Bildungsungleichheit schon so lange bestehen und noch immer nicht gelöst sein? Knuth rief zu mehr Wahlbeteiligung und zu politischem Engagement auf. In einer Demokratie brauche es für Veränderungen Mehrheiten. Das gelte vor allem für die großen herausfordernden Themen dieser Zeit: Klimawandel, Bildungsgerechtigkeit und Digitalisierung.

Die Teilnehmenden der Podiumsdikussion
Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion werden von CHANCEN eG-Gründer Florian Kollewijn (links) mit Blumen verabschiedet. Auf dem Bildschirm ist Dr. Jens Brandenburg zusätzlich zu den bekannten Teilnehmenden zu sehen.

Im Anschluss an die Diskussion gab es für alle Anwesenden die Möglichkeit, sich mit einem erfrischenden Getränk in der Hand untereinander auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen oder schon vorhandene auszubauen. Vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Caspar-Fridolin Lorenz, gab es sogar einen selbstgebackenen Kuchen, der passend zum Anlass mit einer großen, bunten „5” auf dem Schokoguss verziert war. Abgeschlossen wurden die Feierlichkeiten mit gemütlichem Beisammensein in einem nahegelegenen Biergarten.

Geburtstagskuchen
CHANCEN-Gründer Florian und Olaf mit Aufsichtsratsmitglied Caspar-Fridolin Lorenz

Mehr über die Teilnehmenden kann hier gefunden werden, ebenso wie eine Pressemitteilung.

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