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Seit Ende 2021 ist Reginie Sunder Raj für uns als externe Antidiskriminierungsbeauftragte tätig. Sie studierte Psychologie und Cultural Relations & Migration in Schottland und Berlin und arbeitet hauptberuflich als Psychologin. Im Interview berichtet sie über ihre Erfahrungen, Aufgaben und die Relevanz und Umsetzung von Antidiskriminierung.

Liebe Reginie, möchtest du dich kurz vorstellen und etwas zu deinem (beruflichen) Hintergrund berichten, wie du zur CHANCEN eG gekommen bist und was deine Aufgaben sind?

Ich bin gebürtige Berlinerin und ging hier auf eine internationale Schule. Obwohl ich in einer multikulturellen Umgebung aufwuchs, war ich bereits seit jungen Jahren mit Rassismus konfrontiert. Um dem zu entkommen, entschied ich mich für ein Studium im Ausland, arbeitete dort und verreiste anschließend für 1,5 Jahre. Über die Jahre wurde mir dabei bewusst, dass Berlin mein Zuhause ist, trotz meiner Rassismuserfahrungen. Ich kehrte nach Berlin zurück und arbeitete in der Eingliederungshilfe, in der ich wiederum mit Rassismus konfrontiert wurde. Ich entschied mich daher, einen zweiten Master in Cultural Relations and Migration zu absolvieren und im Antirassismus-Bereich zu arbeiten. Über eine Bekannte kam ich als externe Beraterin zur CHANCEN eG, die zu diesem Zeitpunkt begann, sich vermehrt mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Nun bin ich hier Ansprechpartnerin für alle Personen, die sich im Bewerbungsprozess diskriminiert sehen, sowie Beraterin im Sozialausschuss der Genossenschaft. Hier kann ich sowohl meine antidiskriminierungs- als auch psychologische Perspektive einbringen. Mir geht es darum, Menschen ganzheitlich zu betrachten. Da ich ansonsten nicht in die Organisation involviert bin, ist es mir leicht möglich, diese ganzheitliche Perspektive aufzubauen. Die betroffenen Personen stehen bei mir im Vordergrund, nicht das Alltagsgeschäft der Genossenschaft.

Außerdem möchte ich betonen, dass ich als externe Beauftragte alle Personen, die Diskriminierung erfahren haben, unterstütze. Ich bin nicht in feste Strukturen eingebettet, sondern für die Individuen da.

Welche Eigenschaften sind für die Rolle als Antidiskriminierungsbeauftragte deiner Meinung nach besonders wichtig? Und wie wird man Antidiskriminierungsbeauftragte?

Ich finde es besonders wichtig, zu signalisieren, dass sich Personen mit Diskriminierungserfahrung jederzeit an mich wenden können. Ich stehe bereit, höre zu und stehe Betroffenen während des gesamten Weges zur Seite.

Grundsätzlich ist es sehr wichtig, dass die Rolle der*des Antidiskriminierungsbeauftragten von einer Person ausgeführt wird, die selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht hat. Darüber hinaus sind nicht nur akademisches Know-How, sondern auch Verbindungen auf persönlicher Ebene elementar. Weiterhin ist es bedeutend, unterschiedliche Perspektiven mitzubringen und auszubauen. So bin ich mir über die normativen Rollen, die ich erfülle, bewusst – beispielsweise bin ich ablebodied, cis und hetero. Dementsprechend arbeite ich daran, über andere Wege zu verstehen – beispielsweise, was für die queere Community wichtig ist. Ich habe viele Verknüpfungen, lese aber auch viel, um mehr über unterschiedliche Sichtweisen herauszufinden.

Was macht die CHANCEN eG gut und wo besteht Verbesserungsbedarf?

Besonders der Sozialausschuss leistet tolle Arbeit, da die Menschen hier im Vordergrund stehen. Natürlich hat die CHANCEN eG aber noch einen langen Weg vor sich. So können Strukturen geändert werden, um vielfältiger zu werden, weitere Expert*innen ins Haus geholt und die Arbeitskultur überdacht werden. Dabei ist es wichtig, dass sich die Genossenschaft Gedanken macht, für was sie steht und wie diese Werte im realen Berufsalltag umgesetzt werden.

Hast du Tipps für Unternehmen und Privatpersonen, um diskriminierungsfreies Verhalten zu stärken?

Für Unternehmen gibt es tolle Organisationen, die darauf spezialisiert sind, in diesen Strukturen so diskriminierungsfrei wie möglich zu arbeiten und die Unternehmenskultur anzupassen. Entsprechende Schulungen können besonders hilfreich sein, um auf organisatorischer Ebene Wandel zu erzielen.

Auf persönlicher Ebene empfehle ich gerne das Buch exit RACISM – es ist ein guter Startpunkt, um weiße Menschen an die Thematik heranzuführen und aufzuzeigen, wo und wie oft Rassismus im Alltag vorkommt. Der erste Schritt besteht darin, die Augen zu öffnen und wahrzunehmen, wie alltäglich dies passiert. Daraufhin sollten die eigene Kommunikation und das eigene Verhalten hinterfragt und überdacht werden. So haben beispielsweise Fragen wie “Wo kommst du eigentlich her?” für People of Colour eine ganz andere Bedeutung als für weiße Deutsche. Hier kann reflektiert werden, was mit der Frage bei dem*der Befragten ausgelöst wird und was man selbst damit auslösen möchte – denn oft möchten sich Personen mit dieser Frage im Zentrum der deutschen Gesellschaft positionieren und Befragte an den Rand orten. Sich damit zu beschäftigen, ist ein wichtiger Anfang.

Sich mit Antidiskriminierung auseinanderzusetzen kann ja sehr anstrengend sein. Warum lohnt es sich deiner Meinung nach trotzdem?

Wir wollen doch in einer besseren Welt leben als der heutigen, wir wollen Gerechtigkeit und Fairness. Wenn wir das Grundprinzip der Demokratie umsetzen wollen, müssen wir uns mit Antidiskriminierung beschäftigen. Ich denke, die harte Arbeit lohnt sich, denn man entwickelt dabei auch viel Freude, Verständnis und Selbstliebe.


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