– ein Kommentar von CHANCEN International Gründerin Batya Blankers
In den vergangenen zehn Wochen hat CHANCEN International Non-Stop über diese Frage nachgedacht. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den am stärksten gefährdeten Abiturient*innen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu ermöglichen. Und wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst – jetzt mehr denn je.
Alle unsere Mitglieder (wie wir die Personen nennen, die unseren fairen und ethischen Finanzierungsvertrag unterzeichnen) studieren an Hochschulen in Ruanda. Unsere 1.300 Mitglieder besuchen entweder das Kepler oder das Davis College/Akilah Institut, beides hoch angesehene Bildungseinrichtungen.
An dem Tag, an dem in Ruanda der Lockdown ausgerufen wurde, traf sich unser Team virtuell, um zu planen, wie wir alle unsere Mitglieder am besten unterstützen können. Der Lockdown bedeutet, dass die Studierenden nicht mehr zur Hochschule gehen können und einige sogar ihre Wohnheime verlassen mussten. Wir können nicht einschätzen, wie sich die Welt verändern wird. Doch eines wussten wir mit Sicherheit: Bei so viel Unsicherheit mussten wir unseren Mitgliedern ein gewisses Maß an Sicherheit geben, und sei es auch nur, indem wir sie daran erinnerten, dass wir für sie da sind.
Eine unserer Sofortmaßnahmen bestand darin, unseren Absolvent*innen mitzuteilen, dass sie in den nächsten drei Monaten keine Rückzahlungen leisten müssen. Zwar basiert die Rückzahlungsverpflichtung des Umgekehrten Generationenvertrags (UGV) auf dem Einkommen einer Person, sodass das Risiko für unsere Mitglieder schon vertragsbedingt stark reduziert ist. Gleichzeitig wissen wir, dass einige Mitglieder zwar über das gleiche Einkommen verfügen, aber aufgrund des Wirtschaftseinbruchs ihre finanzielle Verantwortung den Familien gegenüber zunehmen wird.
Wie sind wir als Unternehmen dazu in der Lage? Einfach ausgedrückt liegt hier die große Stärke des UGV-Modells. Die Rückzahlungsfrist für unsere Studierenden mag etwas länger sein als bei einem herkömmlichen Darlehen, aber sie ist einkommensabhängig und ermöglicht in Härtefällen Flexibilität. Miguel Palacios, der Vater des UGVs, ruft uns in Erinnerung: “Jedes Mal, wenn man hört, dass Studierende ihren Studienkredit nicht zurückzahlen können, sollte man sich fragen, wer das System entworfen hat, in dem jemand Geld für seine Studiengebühren erhält, dann keinen Job findet und trotzdem zahlen muss?”
Weltweit und auch in Afrika gibt es viele Negativbeispiele bei der Studienfinanzierung. In der aktuellen Krise haben selbst ausschließlich renditeorientierte Anbieter realisiert, dass es inakzeptabel ist, von Absolvent*innen während einer globalen Krise die Rückzahlung ihrer Kreditraten zu verlangen. Aber wie könnten die Finanzinstitute überleben, ohne die Zahlungen einzufordern – ihre Risikokalkulationen hängen schließlich davon ab?
Wir waren Zeug*innen, wie Zehntausende Studierende Abschlüsse machten, die sie nicht auf den Arbeitsmarkt vorbereiteten. Doch die Institutionen, die sie unterrichteten, konnten große Schecks einstreichen. Sollten Bildungseinrichtungen nicht jederzeit einen Anreiz haben, ihren Studierenden bestmögliche Bildung zu ermöglichen?
Wir haben erlebt, wie Familien durch Mikrokredite in unkontrollierbare Schuldenfallen gerieten und gleichzeitig versuchten, ihre Kinder durch die Schule zu bringen. Wie können wir nachts ruhig schlafen, obwohl wir wissen, dass die ärmsten Familien auf unserem Planeten rund 30% Zinsen für ihre Kredite zahlen?
Wir haben gesehen, wie junge Menschen die Universität mit einem Abschluss verließen, mit dem sie sich in keiner Weise identifizieren konnten, da sie aufgrund des einzigen verfügbaren staatlichen Stipendiums gezwungen waren, dieses Fach zu studieren. Wie kann eine sich entwickelnde Wirtschaft den Zugang zu der Art von Bildung unterstützen, die wirklich dem gesellschaftlich benötigten Wachstum dient?
All das sind große Themen, große Fragen. Wir haben uns entschieden, einen Teil des Problems anzugehen. Als Puzzleteil passen wir zu anderen großen Institutionen, die ihren Teil zur Lösung des Problems beitragen. Jetzt ist es wichtiger denn je, dass wir Beispiele für eine funktionierende Studienfinanzierung schaffen. Einige gibt es bereits: Lumni in Lateinamerika, die australische Regierung, das BAföG-System in Deutschland und schließlich die Organisation, die CHANCEN inspiriert hat – die Studierendengesellschaft.
Das CHANCEN-Team in Ruanda und Deutschland setzt sich dafür ein, die Rechte unserer Studierenden und Absolvent*innen zu schützen. Auch wenn wir in diesem Jahr mangels finanzieller Ressourcen keine neuen Studierenden in Ruanda unterstützen können, werden wir unseren aktuellen Studierenden weiterhin zur Seite stehen, damit sie ihren Abschluss machen und sich auf eine neue Welt nach Corona vorbereiten können. Für unsere Absolvent*innen haben wir begonnen, Spenden zu sammeln, um ihnen bei der Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeit zu helfen. Wir arbeiten auch eng mit dem Kepler Institut zusammen: Denn das Institut unterstützt die Unternehmen, für die seine Absolvent*innen tätig sind, hervorragend bei der Umstellung auf eine digitale und dezentrale Arbeitswelt.