Hochschulbildung überall auf der Welt benötigt ein neues Finanzierungsmodell, um sich selbst zu tragen: eine Lösung, die fair ist, sozial verantwortlich und ethisch – vor allem aber ein Modell, das für alle gleichermaßen zugänglich ist. Ein solches Modell, genannt Umgekehrter Generationenvertrag (UGV), hat in den letzten 20 Jahren Studenten in Deutschland bei der Finanzierung ihrer Ausbildung unterstützt. Das Kürzel “UGV” ist euch sicher schon häufig bei uns untergekommen: Wir arbeiten schon länger an einer Anpassung und Umsetzung des Modells in unseren Projektländern. Jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt – es beginnt ein neues Zeitalter für L’appel und den UGV.
Wie funktioniert der UGV?
Die Studiengebühren werden aus einem Fonds bezahlt, welcher durch eine Genossenschaft verwaltet wird. Sobald die Studenten ihren Abschluss erhalten haben und berufstätig sind, leisten sie einkommensabhängig Rückzahlungen, die sich prozentual an ihrem Einkommen bemessen. Voraussetzung dafür ist, dass das Einkommen der Unterstützten über einem gewissen Grenzwert liegt. Es gibt keine Zinsen und keinen fixe Darlehenssumme. Kein Einkommen bedeutet keine Rückzahlungen. Junge Menschen können so ohne finanziellen Druck freie Entscheidungen für Familie, ehrenamtliche oder humanistische Arbeit treffen. Das Modell des UGV hat sich in Deutschland mit über 2000 Unterstützen als erfolgreich erwiesen und bewiesen, dass auch ethische finanzielle Lösungen nachhaltig sind.
Welches Potenzial sehen wir?
Vielen jungen Menschen bleibt der Zugang zu Bildung aus finanziellen Gründen verwehrt. Wie kann der Zugang zu Bildung in Ländern außerhalb Europas offener gestaltet werden? Wie können wir sicherstellen, dass derzeitige und zukünftige Generationen die Möglichkeit haben, ihre individuellen Talente und Visionen zu entdecken und diesen auch nachzugehen? Wie können Gemeinschaften wachsen und sich von innen heraus entwickeln? Wir haben eine Antwort auf diese Fragen, denn wir denken, dass es bereits eine Lösung gibt. Wir haben uns zusammengeschlossen, da wir die Überzeugung teilen, dass es sich bei dem UGV um ein Modell handelt, welches das Potenzial hat, zu einem positiven und nachhaltigen Wandel in der Welt beizutragen.
L’appel Deutschland und die CHANCEN eG haben sich zusammengetan, um dieses Modell auf den afrikanischen Kontinent auszudehnen. Die CHANCEN eG verfügt über eine reiche und langjährige Erfahrung bei der nachhaltigen Finanzierung von Bildung und ist somit der bestmögliche Partner in diesem Bereich. L’appel ist eine NGO mit Felderfahrung bei der Implementierung eines UGV-ähnlichen Modells in Sierra Leone. Beide wurden an der Universität Witten/Herdecke gegründet, teilen ähnliche Werte und dieselben Visionen.
„Das größte Geschenk in meinem Leben ist meine Bildung. Alles was ich bin, bin ich dank dieser. So einfach ist das. Bildung ist das mächtigste Instrument, das eigene Leben zu verbessern und versteckte Potenziale in uns freizusetzen. Es gibt nichts Wertvolleres zu unterstützen als die Bildung anderer Menschen – für die Entwicklung unserer Gesellschaften, unserer Länder und unserer gemeinsamen Welt.”
– Jakob Skatulla, Vorstandsmitglied L’appel Deutschland e.V.
Wie arbeiten wir zusammen?
Unser erster gemeinsamer Schritt wird es sein, durch Feldforschung herauszufinden, wie genau der UGV in einkommensschwachen Ländern eingeführt werden kann. Das derzeitige Modell des UGV gründet auf einem einkommensstarken Land mit stabilen institutionellen Strukturen. Wir möchten beweisen, dass er ebenfalls in anderen Umfeldern realisierbar ist. Die Feldforschung wird in Südafrika und Ruanda in Zusammenarbeit mit der Vorsitzenden des Lehrstuhls für Development Economics der Universität Witten/Herdecke stattfinden. Südafrika und Ruanda sind zwei Länder mit sehr unterschiedlichen Landschaften im Bereich der Wirtschaft, Bildung, Beschäftigung und Politik. Die Auswahl dieser zwei Länder basierte auf einer strengen und umfangreichen Potenzialanalyse aus der Ferne.
Anhand der Gegenüberstellung eines Landes mit niedrigen Einkommen und einem der oberen Mittelklasse möchten wir die spezifischen regionalen Charakteristika herausarbeiten und so das Wirkungspotenzial diversifizieren. Der Vergleich soll darüber hinaus Antworten auf die Frage liefern, ob es bei der Anwendung des UGV möglicherweise eine Untergrenze in Bezug auf die Höhe des Einkommens gibt. Das BNE pro Kopf (Atlas) in Ruanda betrug 2015 $700,00 (Weltbank), was es als Land mit niedrigen Einkommen klassifiziert. Südafrika gilt mit einem BNE pro Kopf von $6.080,00 im Jahr 2015 als ein Land der oberen Mittelklasse. Die Fernforschung ließ zwar nur bedingt Rückschlüsse bezüglich der notwendigen Bedingungen für die effektive Entwicklung einer Umsetzungsstrategie zu. Die Resultate bestärken uns nichtsdestotrotz in der Entscheidung, in diesen beiden Ländern umfangreiche Feldstudien durchzuführen. Die Forschung wird von März bis September 2017 stattfinden. Zu diesem Zweck haben sich die CHANCEN eG, L’appel, die Vorsitzende des Lehrstuhls für Development Economics und ein freier Forscher in einer Kooperation zusammengeschlossen.
Mehr über uns
L’appel Deutschland e.V. ist eine in Köln ansässige NGO, welche 2013 gegründet wurde. L’appel setzt sich mit Entwicklungsprojekten in Ruanda und Sierra Leone für ein Ende der Armut ein: Wir stärken Gesundheit, ermöglichen Bildung und unterstützen lokales Empowerment. Während der letzten zwei Jahre hat L’appel ein kleinformatiges Stipendienprogramm in Ruanda durchgeführt und ein angepasstes Modell des UGV in Sierra Leone eingeführt. Das Modell wurde dort institutionalisiert und an einen Arbeitgeber gebunden. Mit diesem angepassten Modell konnten Krankenschwestern, Fachkräfte für öffentliches Gesundheitswesen sowie Allgemeinmediziner ausgebildet werden, um die Personalkapazitäten in dem Krankenhaus zu verbessern – in Anlehnung an die Grundlagen des UGV-Konzepts. Dies hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich das Krankenhaus von der Ebola-Krise erholen konnte, indem die vollständige Einsatzfähigkeit gewährleistet und die Behandlungsqualität fortlaufend verbessert wurde.
Diese Erfahrung in lokalen Kontext hat unter Beweis gestellt, dass der UGV über ein massives Wirkungspotenzial verfügt. Basierend auf dieser Erkenntnis hat L’appel bereits 2014 erste Untersuchungen und Analysen in Ruanda durchgeführt. Drei Monate lang sammelten wir Informationen über mögliche Projekterfolge, Einfluss- und Störfaktoren sowie potentielle Stakeholder, um die bevorstehende Kooperation mit der CHANCEN eG vorzubereiten.
„Zugang zu Bildung ist sowohl für die individuelle als auch die gesellschaftliche Entwicklung sehr wichtig. Der UGV ermöglicht jungen Leuten, finanzielle Hürden beim Zugang zu Bildung zu überwinden. Das Modell ist werteorientiert, es unterstützt persönliche Freiheit und Autonomie und erweitert mögliche Chancen im Leben. Gemeinsam mit L’appel analysieren wir den Wirkungshorizont des Modells, hinterfragen dabei stets, ob wir tatsächlich einen positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten, und treiben gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung des Modells voran. Nur wenn beide, gesellschaftlicher und der wirtschaftlicher Effekt zusammenkommen, können wir nachhaltige soziale Veränderungen erreichen.”
– Florian Kollewijn, Vorstandsmitglied CHANCEN eG
Die CHANCEN eG ist ein Sozialunternehmen, welches Bildungsfonds anlegt und verwaltet. Sie bietet den UGV derzeit deutschlandweit an verschiedenen privaten Universitäten an. Im Jahr 2015 haben ehemalige Vorstände der StudierendenGesellschaft – welche in über 20 Jahren mehr als 2.500 Studenten mit dem UGV bei ihrem Studium an der Universität Witten/Herdecke unterstützt hat – die Chancen eG gegründet, um auch Studenten an anderen privaten Universitäten diese Finanzierung zu ermöglichen. In enger Zusammenarbeit mit der GLS Bank, Deutschlands ältester Bank für sozial-ökologische Geldanlagen, der StudierendenGesellschaft und verschiedenen Investoren wurde das Modell skalierbar. Das Ziel ist, Zugang zur Bildung und Karrieremöglichkeiten unabhängig vom individuellen finanziellen Hintergrund zu gewährleisten. Derzeit deckt die CHANCEN eG lediglich die Kosten für Semestergebühren. In den kommenden zwei Jahren sollen ebenfalls der Lebensunterhalt und damit verbundene Kosten finanziert werden. Außerdem treibt die CHANCEN eG die Ausdehnung des Modells auf andere europäische Länder voran.
Die CHANCEN eG ist erfahren im Marketing, dem Management und in der Finanzierung des UGV, der Kalkulation von Konditionen und der Entwicklung nachhaltiger Finanzierungsmodelle. Ebenso bringt sie Expertise in Bezug auf Impact Investing und der Evaluation der sozialen Auswirkungen des UGV mit. Zusammen mit der GLS Bank und der ihr verbundenen GLS-Treuhand verfügt die CHANCEN eG über ein breites Netzwerk von Stiftungen, Unternehmen und vermögenden Privatpersonen, die nach Impact Investitionsmöglichkeiten suchen.
Folge unserer Reise
Wir sind davon überzeugt, dass sowohl der UGV als auch die Kooperation unserer zwei Organisationen eine nachhaltige Veränderung bewirken kann. Wir werden regelmäßig Updates in Form eines Blogs posten und in den Social-Media über den aktuellen Stand der Dinge und die letzten Entwicklungen informieren. Für die auf Englisch geführte Version des Blogs auf der Seite der CHANCEN eG guckst du einfach hier vorbei!